Kolumne
Wir mögen Bücher und Papier, deswegen gibt es unser Programm auch als Heft. Und in jedem Heft gibt es ein Editorial der Literaturhausleiterin Kathrin Dittmer. Das wollen wir auch online niemandem vorenthalten!
Was wir wollen
Neulich wurde ich auf einer Feier wieder einmal gefragt, wozu es das Literaturhaus eigentlich gäbe. Früher hätte ich mit Verve losgelegt, unsere Angebote möglichst werbewirksam darzustellen, hätte Sinn und Zweck der Kultur- und Künstlerförderung erläutert und betont, wie effizient gerade wir freien Träger den öffentlichen Diskurs mit befeuern, unser Engagement für die Freiheit des Wortes erwähnt, die vielen Kooperationen und - nicht zu vergessen- das Recht auf Teilnahme aller am kulturellen Leben und dergleichen mehr und dass die staatlichen Einrichtungen das allein gar nicht schaffen können, weswegen auch solche Häuser wie unseres da seien und deswegen einTeil unserer Arbeit gefördert wird. Leider klingen diese Grundsatzerklärung nur immer so, als stünde man schon mit dem Rücken zur Wand oder wolle das ultimative Fleißkärtchen für das Referieren von Leitbildern ergattern.
Eigentlich doch auch langweilig, dachte ich und außerdem war ich ja nicht zum Bericht in den Kulturausschuss eingeladen. Deswegen fragte zurück: „Was vermutest du denn?“ „Also ich muss ja nun nicht sagen können, wozu deine Arbeit gut ist.“, kam es leicht empört zurück. „Ach je,“ sagte ich und schwieg ein bißchen, während ich krampfhaft überlegte, was ich mein Gegenüber fragen könnte. „Womit beschäftigst du dich denn?“ fragte ich. „Ich arbeite in der IT.“ „Ach ja, sagte ich“ und was machst Du da genau?“ „Ich bin bei einem großen Anbieter.“ Das beantwortete ja nun eigentlich meine Frage nicht. Es ruhte irgendwie kein Segen auf diesem Gespräch.
Trotzdem ich schon genug Schaden angerichtet hatte, beschloss ich, den Rest des Abends ausschliesslich in Zitaten zu reden oder, falls mich noch mal jemand auf meinen Beruf anspräche, zu behaupten, ich forsche zur Sepulkralkultur. Da wissen die meisten nicht, was es bedeutet und nicken nur so von ungefähr. Notfalls konnte ich ja freundlich schweigen. Ich erinnere mich, dass ich mit in der Jugendzeit mal gewettet hatte, den ganzen Tag in Reimen zu sprechen, was aber ziemlich leicht ist, wenn man keinen Wert auf die Schönheit derselben legt und Wortwiederholungen nicht scheut. Einziger Nachteil: Man hat das Gefühl wahnsinnig zu werden und den Reimzwang nie mehr ablegen zu können. Ich war jedenfalls fest entschlossen auf die nächste Frage, was ich denn so mache zu antworten: „Ich bin ein Feld voller Raps, verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt.“, was ein sehr schöner Titel von Ulrike Almut Sandig ist, den sie mal bei uns vorgestellt hat. Aber wir das so ist: Niemand hat mich mehr gefragt. Und ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr so ungnädig mit den Fragen besorgter Bürger:innen umzugehen, die Angst haben, ihre Steuergelder würden verschwendet.
Deswegen hier unsere ultimative Grundsatzerklärung vorläufig immerwährender Gültigkeit:
Wir widmen unsere Arbeit in erster Linie dem Leitmedium Buch, denn es ist uns wichtig, die Literatur der Gegenwart abzubilden. Standpunkte und Sprachkunst, Poesie und Eigensinn sind für uns der Kern unserer Konzepte, für ein Programm, das sich aus unserer Sicht lohnt für unser Publikum. Auf diese Weise fördern wir die Kunst und die Künstler:innen. Das Literaturhaus ist ein Forum für den öffentlichen Diskurs, weil das Bedürfnis, die eigene Rolle in der Gesellschaft zu verstehen, sich immer wieder an die Kunst richtet. Dafür wollen wir Raum schaffen und bieten mit unseren Veranstaltungen und Projekten, Möglichkeiten zu Reflexion und Aktion. Auch unser Netzwerk ist uns wichtig. Nicht nur Förder:innen, die unsere Arbeit ermöglichen und anregen, sondern auch Kultureinrichtungen und -Initiativen aller Sparten, Bildungsträger und Verbände. Genauso wichtig ist uns der Austausch mit unseren Moderator:innen und den Künstler:innen, mit denen wir unsere Arbeit gemeinsam gestalten. Das Literaturhaus ist Teil der AG der Niedersächsischen Literaturhäuser und zusammen mit der Landeshauptstadt Hannover im internationalen Städtenetzwerk ICORN, das Stipendien für verfolgte Autoren bietet. Als Literatureinrichtung fühlen wir uns insbesondere der Freiheit des Wortes verpflichtet und wollen konkret etwas dafür tun, weswegen wir mit der Stadt Hannover seit über 20 Jahren das Hannah-Arendt-Stipendium für verfolgte Autor:innen unterhalten. Grundsätzlich bleiben wir in unseren Programmen dialogisch: Mit den Nachbar:innen vom Haus und Hof, den Künstler:innen dem Publikum und allen, mit denen wir arbeiten. Wir leben mit und von der Kunst und hoffen, sie lebt gut mit uns. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Im Buchhandel erhältlich:
Hasenrein eingemiezelt
Kolumnen von Kathrin Dittmer.
Für alle, die wissen wollen, warum das Gehirn die eigentliche Problemzone ist, was Weltanschauungen und Küchenmaschinen gemeinsam haben und ob Molly der Hund tatsächlich Flöte spielen konnte.
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