Kolumne

Wir mögen Bücher und Papier, deswegen gibt es unser Programm auch als Heft. Und in jedem Heft gibt es ein Editorial der Literaturhausleiterin Kathrin Dittmer. Das wollen wir auch online niemandem vorenthalten!

Editorial Februar | März 2025

Spot an

»Bist Du heute auf der Bühne?« Diese Frage stellt mir mein Sohn immer dann, wenn ich ihn morgens in den Kindergarten bringe und ich ihm sage, dass wir uns wegen einer abendlichen Lesung erst am nächsten Morgen wiedersehen. Wir führen also mindestens ein Mal pro Woche das exakt gleiche Gespräch. Und immer lautet meine Antwort: »Nein, nein, ich bin nur neben der Bühne.« »Aber wer ist denn auf der Bühne?« Und dann erkläre ich ihm, dass bei uns die Menschen auf der Bühne sitzen, die Bücher schreiben – und Namen muss ich auch nennen, denn er will es natürlich ganz genau wissen. Wahrscheinlich gibt es nicht allzu viele Dreijährige, die die Namen von Navid Kermani, Ronya Othmann, Ann Cotten oder Wolfram Eilenberger kennen.

Seit knapp einem Jahr führen wir also Woche für Woche dasselbe Gespräch und man kann sagen, es hat meinen Sohn ziemlich überrascht, als ich an einem Morgen auf seine Frage plötzlich mit Ja antwortete. Nach kurzer Verwirrung kam die für ihn folgerichtige Frage: »Mama, hast Du ein Buch geschrieben?« Ich hatte ihm wirklich bisher nicht von den Moderator:innen erzählt, die immer auch auf der Bühne sitzen. Dabei steht außer Frage, dass eine gelungene Veranstaltung nicht selten mit einer guten Moderation zusammenhängt. Und nun stand ich spontan zum ersten Mal und mit nur einem Tag Vorbereitungszeit vor dieser Aufgabe, und fragte mich einmal mehr, was genau eine gelungene Moderation eigentlich ausmacht.

Es gibt Moderator:innen, bei denen man das Gefühl hat, sie kennen nicht nur das Werk ihres Gegenübers auswendig, sondern können auch mit tiefem Wissen bei jedem literarischen Bezug glänzen. Diese Form der Moderation bewundere ich sehr, aber mein Start in diesen Aufgabenbereich würde vermutlich nicht auf dieser Schiene beginnen. Es gibt auch diejenigen, die einen umfassenden Fragenkatalog mitbringen und diesen abarbeiten, sodass das Publikum eine Menge über die/den Autor:in erfährt.

Von Moderator:innen mit jahrelanger Erfahrung bekam ich im Vorfeld verschiedene Ratschläge. »Verzettel Dich nicht in allzu langen, komplizierten Fragestellungen, sondern stell am besten kurze, prägnante Fragen.« Das erschien mir sinnvoll und das versuchte ich zu beachten. Eine gute Vorbereitung war mir besonders wichtig, allein schon deshalb, um der Autorin in alle Richtungen folgen zu können. Ich las den Roman also sicherheitshalber ein zweites Mal und hatte ungefähr auf jeder Seite eine Stelle angestrichen.

Was würde die Autorin erwarten? Was würde das Publikum gern erfahren? Ich grübelte trotz der guten Vorbereitung, wie ich das Gespräch nun am besten angehen sollte und entschied mich dazu, es wie mein Sohn zu halten: Fragen aus echter Neugier zu stellen – Dinge erfahren zu wollen, die mich wirklich interessierten.

Als ich am Morgen nach der Lesung, wie immer gegen 4:50 Uhr von lautstarken »Mama«-Rufen geweckt wurde, fragte mich mein Sohn ganz aufgeregt: »Und, Mama, wie war es auf der Bühne?« Ich war froh, dass ich aus tiefster Überzeugung sagen konnte, dass es mir eine wirklich große Freude war, mit der Autorin so intensiv sprechen zu dürfen und es dem Publikum wohl auch ganz gut gefallen hat. Da war er glatt ein bisschen stolz auf mich. Seitdem werde ich übrigens nicht mehr gefragt, ob ich auf der Bühne bin – die Sache scheint für ihn erledigt.

sei

Im Buchhandel erhältlich:

Hasenrein eingemiezelt
Kolumnen von Kathrin Dittmer.
Für alle, die wissen wollen, warum das Gehirn die eigentliche Problemzone ist, was Weltanschauungen und Küchenmaschinen gemeinsam haben und ob Molly der Hund tatsächlich Flöte spielen konnte.
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