Kolumne

Wir mögen Bücher und Papier, deswegen gibt es unser Programm auch als Heft. Und in jedem Heft gibt es ein Editorial der Literaturhausleiterin Kathrin Dittmer. Das wollen wir auch online niemandem vorenthalten!

Editorial November/Dezember/Januar

Zeichensprache

Neulich bei der Hautärztin unter der hellen Lampe, kam die Frage: "Katzen oder Rosen?"  "Katzen und Rosen." sagte ich. Als Ziernarben kann man die feinen Striche an Armen und Oberkörper kaum bezeichnen und mit bloßem Auge sind sie schwer zu erkennen. Trotzdem können sie eigentlich als Tattoo gelten, finde ich.

Aber innen? „Innen und vor Dir, mein Gott“, wie Rilke sagt. Oder auch ganz ohne Gott. Wenn ich da ehrlich bin, was gäbe das für Bilder? Sollte man sein Inneres denn nach außen wenden? Ist das nicht furchtbar aufdringlich? Und gibt es das eine Bild, dass mich wirklich meint? Oder müsste ich gleich ein Ganzkörpertattoo machen lassen? Irgendwie will man ja auch nicht zu einfältig rüber kommen, wenn die Haut in Bildern redet.

Ab Dreißig, sagt der Volksmund, sei jeder selbst für sein Gesicht verantwortlich. Dem möchte ich nicht unbedingt beipflichten. Die Kinnlinie schwindet von alleine, kann ich versichern. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Männer ab einem gewissen Alter so gerne Dreitagebart tragen. Wem keiner wächst, sieht dagegen alt aus. Da könnte man wohl mit einem dunklen Kinntattoo Abhilfe schaffen, aber ich würd es nicht empfehlen. Es gibt ja überhaupt auch ganz hässliche Tatoos. Dann doch lieber vom Leben gezeichnet als schlecht bemalt. Stattdessen lieber wie die Pinguine im Trickfilm Madagaskar: Stur lächeln und winken! Das hebt die Kinnlinie und lenkt davon ab, dass man grade mit einem kleinen Eislöffel als Werkzeug den Ausbruch aus dem Freigehege plant.

Nein, ich lasse es lieber bei den zufälligen Zeichen. Doch ich will mal nicht so angeben... Oder ergeben diese feinen Linien womöglich ein geheimes Muster, das enträtselt werden kann? Eine Rosen- und Katzenbotschaft nur für mich? Mystische Zeichen höherer Wesen? Ist natürlich Quatsch. Einmal ist mir die Katze mit voll ausgefahrenen Krallen heftig bremsend, weil natürlich unabsichtlich, buchstäblich den Buckel heruntergerutscht. Sah übel aus. Schicksal. Oder eigene Blödheit, weil ich sie ungeschickt hochgenommen hatte. Denn auch für mich gilt wie bei Siegfried und Roy, für deren Gesichter allerdings vermutlich hauptsächlich Botox und Silikon verantwortlich sind: Der Tiger hat nie Schuld. Immer nur der Halter!
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Im Buchhandel erhältlich:

Hasenrein eingemiezelt
Kolumnen von Kathrin Dittmer.
Für alle, die wissen wollen, warum das Gehirn die eigentliche Problemzone ist, was Weltanschauungen und Küchenmaschinen gemeinsam haben und ob Molly der Hund tatsächlich Flöte spielen konnte.
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